Aus dem Kriegstagebuch

      I
      (10. Januar 1991)

      Gebt ihnen
      Einen kleinen Anlaß
      Und es wird folgen:
      Große Verwüstung.

      Denn seht:
      Die Schlächter stehen schon bereit,
      Die Waffen, sie sind fein poliert,
      Die Giftgasmasken ausgeteilt,
      Die Scheuklappen aufmontiert,
      Und die Soldatenhirne, sie
      Wurden bereits gequetscht
      Unter Soldatenhelme.

      Was ihnen jetzt noch fehlt,
      Ist ein kleiner Anlaß,
      Denn auch
      Der Massenmord
      Will schließlich
      Wohlbegründet sein.

      Aber, keine Sorge,
      Den Herrschenden,
      Darauf könnt ihr bauen,
      Fällt da stets
      Eine neue Begründung ein.

      Und dann:
       

      II

      Hurra!
      Zum Wohle der Menschheit
      Donnern die Kanonen!
      Zum Wohle der Menschheit
      Brennen die Städte!
      Zum Wohle der Menschheit
      Schleicht das Giftgas
      Durch die Straßen,
      Verzehrend die
      Ausgebrannten Leiber!

      Und das Gas,
      Das Gas ist schneller
      Als Du, Mutter.
      Ach, das Kind, das Du
      In Deinen Armen
      Zu schützen gedenkst,
      Es bedarf Deines
      Schutzes nicht mehr!

      Und Du selbst, Verzweifelte?
      Bist nicht auch Du
      Des Lebens überdrüssig?
      Spürst nicht auch Du,
      Wie das Gas
      Langsam in Deine Glieder
      Fährt, Dir die Kehle
      Schnürt?
      Was schreist Du, Weib?
      Sei tapfer! Stirb aufrecht!
      Du stirbst doch
      Zum Wohle der Menschheit.
      Und wisse:
      Keiner entgeht
      Der Schlagkraft
      Unserer
      Hu-ma-ni-tät!
       

      lll 
      (23. Januar 1991)

      Die Dummheit trägt heute
      Ihr militantes Gesicht.
      Sie ist leichter zu erkennen
      Als in friedlichen Zeiten.
      Seht, wie sie handelt,
      Wie sie lügt, wenn sie spricht,
      Und fangt an - endlich -
      Ihren Untergang vorzubereiten.

      Die Uniformierten
      Sind die Uninformierten.
      Sie sind stark allein
      Durch fehlendes Wissen.
      Gebt diesen
      Dressierten Uninteressierten,
      Den Gefühlskalten, die
      Scheinbar ohne Gewissen,
      Aber mit viel Feingefühl
      Für die Mechanik des Todes,
      Elend unter die Menschheit bringen;
      Gebt ihnen das, was
      Sie verdrängen müssen, um weiterhin
      Das Loblied auf den Krieg zu singen,
      Gebt ihnen das Wissen, um
      Die schrecklichen Folgen
      Ihres schrecklichen Tuns!
       

      IV

      Und wenn dann,
      Irgendwann,
      Der Mord, der Krieg,
      Beendet sein wird,
      Wenn die Schlächter
      Dann - endlich -
      Das Kriegsbeil wieder
      Eingetauscht haben
      Gegen den altbewährten
      Aktenkoffer;

      Dann dürft Ihr, die
      Ihr erwacht seid
      Aus tiefem Schlaf,
      Dann dürft ihr den Kampf
      Noch lange nicht aufgeben!
      Denn die Dummheit
      Kostet viele Menschenleben
      Auch in friedlichen Zeiten!

      Ich bitt' euch,
      Gebt den Kampf nicht auf!
      Tut dies
      Zum Wohle
      Der Menschheit!

                 

                M.S.Salomon 1991

      Kabarett "An die Nachgeborenen"

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