Der „Papst“ der Kirchenkritik

An Michael Schmidt-Salomon führt derzeit kein Weg vorbei. Ob man Maischberger einschaltet, Polylux oder Quergefragt, ob man Focus liest oder Spiegel, der 40-jährige Geschäftsführer der Giordano-Bruno-Stiftung gilt als angesagtester Bannerträger gegen die Macht der Religionen.

Trier.
Gegen die – vermeintliche oder reale – Macht der christlichen Kirchen im Lande kämpft er schon lange. Aber seit Michael Schmidt-Salomon jüngst medienwirksam den „Zentralrat der Ex-Muslime“ installiert hat, ist der promovierte Philosoph und Pädagoge bei Presse, Funk und Fernsehen zu einem gefragten Experten avanciert. In seinem Haus in Butzweiler, das er mit seiner, wie er es nennt, „postfamilialen Familie“ (fünf Kinder, vier Erwachsene) bewohnt, quillt der Computer über. 2000 Mails harren der Beantwortung, „und da habe ich die Unseriösen schon aussortiert“. Kehrseite der frischen Medien-Popularität. Und ein praktisches Problem, wenn man wie Schmidt-Salomon ehrenamtlicher Geschäftsführer einer Stiftung ist, die keinen Apparat hat. „Keine Ahnung, wie ich das alles beantworten soll“, sagt er und fläzt sich leger in seinen Scheibtischsessel zurück. Auch nach einem halben Dutzend in Fachkreisen durchaus angesehener Bücher, einem Doktortitel summa cum laude und diversen Auszeichnungen hat er immer noch was von einem großen Jungen.

Für Provokationen immer gut

Das „Maria-Syndrom“ Rückblende ins Jahr 1994. Da schreibt ein junger Hobby-Kabarettist, Musiker und Sänger ein lästerliches Musical für die Trierer Tuchfabrik, das die katholische Doktrin von der jungfräulichen Empfängnis in höchst derber Weise auf die Schippe nimmt. Weil sich keiner so recht für die Provokation interessiert, stellt er sich sonntags vor den Dom und weist per Flugblatt auf seine Unverfrorenheiten hin. Prompt reagieren alle wie der Pawlow’sche Hund, der Bischof protestiert, die Stadt zensiert, das Stück wird verboten, Trier schafft es bis in den „Spiegel“ – in unsäglichem Provinz-Habitus.

Das Händchen für knackige Formulierungen und öffentlichkeitswirksame Auftritte hat er immer noch, auch wenn die Substanz sich verändert hat. Mit seinen Büchern, Vorträgen und Veröffentlichungen eroberte er in den letzten Jahren einen zentralen Platz im wachsenden Kreis der Religions-Kritiker und -skeptiker. Und er kann inzwischen sogar davon leben. In der Giordano-Bruno-Stiftung, die er organisiert, hat sich eine Sammelstelle für die neue Bewegung gefunden. Irgendwann, als Endpunkt einer langen Entwicklung, könnte aus diesem Umfeld eine Art „Zentralrat der Konfessionsfreien“ entstehen. Davon gibt es immerhin 26 Millionen in Deutschland, „mehr als Katholiken“, wie Schmidt-Salomon anmerkt. Das sei bislang „eine Gruppe ohne Lobby“, obwohl sie „in vielen Großstädten 70, 80 Prozent stellt“. Die könne, wie Katholiken oder Protestanten, eigene soziale und Bildungs-Einrichtungen gründen und dafür die gleiche öffentliche Förderung beanspruchen.

Mehr Konfessionslose als Katholiken in Deutschland

Neu sind solche Vorstellungen nicht, neu ist aber das öffentliche Gewicht der Religionskritiker. Weil Schmidt-Salomon und Co. gegen den Islam genau so konsequent agitieren wie gegen Christentum oder andere Religionen, passen sie gut in den derzeitigen Debatten-Mainstream. „Klar“, sagt er, „wenn wir den reaktionären Islam- Fundamentalismus kritisieren, kann keiner ernsthaft behaupten, das sei ausländerfeindlich“. Aber der ehemalige Chef eines PR-Büros sieht noch einen anderen Grund für die heftiger werdende Debatte: Konservative Kirchenkreise hätten, so sagt er, „den Nichtangriffspakt zwischen Wissenschaft und Religion aufgekündigt“. Seit die aus Amerika nach Europa schwappende Welle der „Kreationisten“ ernsthaft versuche, die Erzählungen der Bibel als wissenschaftlich gleichberechtigt neben den Erkenntnissen der Forschung zu etablieren, formiere sich der Widerstand. Und anders als bei den 68ern seien es „nicht mehr die Sozial-, sondern die Naturwissenschaftler, die sich das nicht bieten lassen wollen“. Schließlich sei es, so schreibt er in seinem „Manifest des evolutionären Humanismus“, völlig absurd, „dass wir die Technologie des 21. Jahrhunderts mit Jahrtausenden alten Legenden und naivstem Kinderglauben“ beherrschen wollten. Dass Religionen modernem Denken aufgeschlossen sein könnten, hält er für undenkbar. „Aufgeklärter Glaube, das ist so was wie ein verheirateter Junggeselle“. Griffige Sprüche liebt er. So wie: „Jesus ohne Teufel ist wie Elfmeterschießen ohne Gegner“. Da dürfte er sich mit den katholischen Fundamentalisten einig sein.

Allerdings erntet er auch Kritik aus den eigenen Reihen. Die „schrille Rhetorik“ und die „Medienschnittigkeit“ von Schmidt-Salomons Aussagen sei allenfalls geeignet, „die Lufthoheit über antiklerikalen Stammtischen zu gewinnen“, schimpft der Marburger Philosoph Joachim Kahl.

Der Gescholtene widmet sich eher den Kinderzimmern. Nächstes Projekt: ein Anti-Religions-Comic für die Jüngsten. „Auch Kinder“, sagt der Mann, der sich selbst „MSS“ kürzelt, „haben ein Recht auf Satire“.

Dieter Lintz
Trierirscher Volksfreund, Mittwoch, 25.07.2007